In der Winterthurer City-Halle geht der Veranstalter Think Musicals in Konkurs
Nach 13 Jahren Musicalbetrieb ist das Leben in der Winterthurer City-Halle verstummt, die Veranstalterin Think Musicals AG ist in Konkurs. Noch offen ist die Zukunft der Halle, im Vordergrund stehen Pläne für eine Hochschulbibliothek.
Florian Sorg / NZZ Onlien
http://www.nzz.ch/nachrichten/zuerich/stadt_und_region/space_dream_ausgetraeumt_1.11047418.html
«Space Dream», «Melissa», «Twist of Time» oder «Alapilio» hatten Winterthurs Ruf als Musicalstadt begründet und gefestigt. Seit Ende Mai steht die Bühne der City-Halle im Sulzer-Areal jetzt leer, die Sänger und Tänzer kehren nicht mehr zurück. Über die Veranstalterin Think Musicals AG (vormals Melissa Production AG) ist der Konkurs eröffnet worden, wie dem Amtsblatt vom Freitag zu entnehmen ist.
Sinkende Besucherzahlen
In den besten Zeiten fanden jährlich gut 60 000 Musicalfreunde den Weg in die City-Halle, beschäftigt wurden über 100 Mitarbeitende. Laut Harry Schärer, Autor, Komponist und Geschäftsführer von Think Musicals, hatten sich die Probleme erstmals in Zeiten der Wirtschaftskrise akzentuiert. Die Besucherzahlen seien zurückgegangen, weitaus stärker noch als der Verkauf von Einzelbilletts habe sich die Situation bei pauschal gebuchten Angeboten wie etwa Firmenanlässen verschlechtert. Ein Spielort wie die City-Halle sei mit hohen Fixkosten verbunden, und ohne Subventionen sei ein Veranstalter auf die Erträge aus Aufführungen, Vermietungen und dem Event-Bereich gleichermassen angewiesen. Die Wiederaufnahme von «Space Dream – das Original» in der nun abgeschlossenen Saison habe sich zunächst gut angelassen, für eine Kompensation der Belastungen aus früheren Jahren wären indessen vor allem im letzten Frühling noch stärkere Zahlen erforderlich gewesen, sagte Schärer. Musicals hätten zwar eine Zukunft, aber das Angebot sei in den letzten Jahren deutlich stärker gewachsen als das Publikum.
Im Tourneebetrieb denkbar
Erschwerend sei hinzugekommen, dass der Vertrag zur Zwischennutzung der City-Halle Ende 2012 ohnehin ausgelaufen wäre. Vor diesem Hintergrund seien erfolgreiche Verhandlungen mit Investoren zur Illusion geworden. So haben man sich schliesslich trotz aller Liebe zum Musical entscheiden müssen, die Bilanz zu deponieren: «Bei allem Realismus, es war eine sehr emotionale Phase.» Definitiv ausgeträumt ist «Space Dream» für Harry Schärer allerdings nicht. Eine Wiederaufnahme im Rahmen eines Tourneebetriebs sei zumindest angedacht.
Der Winterthurer Tourismusdirektor Remo Rey bedauert das Ende des Spielbetriebs ausserordentlich, Schärers kreative Eigenproduktionen hätten das Stadtleben massgeblich bereichert. Als Tourismusdestination verliere Winterthur Besucher aus umliegenden Kantonen und Süddeutschland, zum Nachteil auch für Hotels und Gastronomie.
Laut Notar Hans Gloor vom Konkursamt Winterthur Altstadt beschäftigte der Betrieb zuletzt noch rund 80 Personen, die meisten über befristete Arbeitsverträge. Die Löhne für den Mai konnten nach Auskunft von Gloor nicht mehr bezahlt werden, sie sind aber durch die Arbeitslosenversicherung gedeckt. Die Gesamtsumme der offenen Forderungen lässt sich vor Abschluss des Verfahrens noch nicht exakt beziffern, ebenso der Wert des Inventars im stillgelegten Musicalbetrieb. Gloor geht von einer eher bescheidenen Summe aus, möglicherweise hätten einige Stücke gewissen Liebhaberwert.
ZHAW als neuer Interessent
Die vor gut hundert Jahren für Sulzer erbaute City-Halle wurde im August 2010 von Sulzer Immobilien an den Baukonzern Implenia verkauft. Über eine künftige Nutzung der ehemaligen Industriehalle für eine Bibliothek laufen Gespräche mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), wie Rolf Emmenegger von Implenia auf Anfrage bestätigte. Nach Ablauf der Zwischennutzung durch die Musical-Equipe muss die City-Halle unter Auflagen des Denkmalschutzes für eine definitive Neunutzung saniert werden. Laut Rolf Emmenegger steht dafür der Beizug eines externen Investors zur Diskussion.
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